3 WIE ALLES ANFING

AUS DREI MACH EINS

AUS DREI MACH EINS

In den 1960er Jahren kam die Idee auf, die drei Münchener Max-Planck-Institute (MPI) in einem großzügigen Neubau zusammenzufassen. Das Ziel: den immer stärker werdenden Platzmangel in der Innenstadt beheben und Synergien schaffen. Der endgültige Entschluss der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die Institute zu fusionieren, fiel 1967. Die neue Großforschungseinrichtung übernahm den Namen des größten und ältesten der drei Vorgänger: MPI für Biochemie. Die Vision des Projekts war ein polyzentrisches Institut, dessen Abteilungen sich frei entfalten, zugleich aber vom gegenseitigen Austausch und von gemeinsamen Einrichtungen profitieren sollten.

In München selbst fand sich kein geeigneter Bauplatz. Vermittelt durch den Münchener Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel fiel die Wahl auf das ländlich geprägte Martinsried (Gemeinde Planegg), südwestlich vor den Toren Münchens gelegen. Dort erwarb die MPG ein 37 Hektar großes, unbebautes Gelände. Ein besonderer Vorteil des neuen Standorts: In unmittelbarer Nachbarschaft sollte das Universitätsklinikum Großhadern entstehen – man erhoffte sich eine fruchtbare Kooperation.

FUNKTIONALE ARCHITEKTUR

FUNKTIONALE ARCHITEKTUR

Bis das neue Institut seine Arbeit aufnehmen konnte, blieb noch viel zu tun. Zunächst mussten die Gebäude geplant werden. Diese Aufgabe übernahmen die Frankfurter Architekten Beckert & Becker, die sich 1967 in einem Wettbewerb gegen dreizehn Konkurrenzentwürfe durchsetzten.

Ihr Konzept stand für einen modernen, an amerikanischen Vorbildern orientierten Forschungscampus. Mehr in die Breite als in die Höhe gebaut, entsprach er dem ästhetischen Zeitgeschmack. Sein sternförmiger Grundriss wies den einzelnen Abteilungen getrennte Trakte mit einer Fläche von jeweils rund 1.200 Quadratmetern zu.

Die gemeinsamen Einrichtungen wie die Bibliothek, das Gästehaus, die Werkstätten, die Mensa und zwei Hörsäle waren in flankierenden Gebäuden angesiedelt.

1974

Die Institutsdirektoren mit MPG-Ehrenpräsident Adolf Butenandt

Die Institutsdirektoren mit MPG-Ehrenpräsident Adolf Butenandt

Stehend – Erich Wünsch | Gerhard Braunitzer | Peter Hans Hofschneider | Walter Hoppe | Kurt Hannig | Klaus Kühn | Wolfram Zillig

Stehend – Erich Wünsch | Gerhard Braunitzer | Peter Hans Hofschneider | Walter Hoppe | Kurt Hannig | Klaus Kühn | Wolfram Zillig

Sitzend – Robert Huber | Pehr Edman | Heinz Dannenberg | Adolf Butenandt | Feodor Lynen | Gerhard Ruhenstroth-Bauer

Sitzend – Robert Huber | Pehr Edman | Heinz Dannenberg | Adolf Butenandt | Feodor Lynen | Gerhard Ruhenstroth-Bauer

DIE VISION WIRD REALITÄT

DIE VISION WIRD REALITÄT

1969 begannen die Bauarbeiten auf der grünen Wiese. Der Forschungscampus entstand buchstäblich aus dem Nichts. Allerdings ließ sich der ursprüngliche Zeitplan nicht einhalten. Im Großraum München war es zu dieser Zeit schwer, an Handwerker zu kommen: Die Olympischen Spiele, die 1972 in München stattfanden, banden einen Großteil der Fachkräfte im Baugewerbe.

So kam es, dass das Institut nicht, wie ursprünglich erhofft, 1970 oder 1971 bezugsfertig war. Die ersten Gebäude standen im Juli 1972. Vier der vorerst elf geplanten Abteilungen nahmen dort die Arbeit auf – unter anderem die Abteilung Enzymchemie und Stoffwechsel unter der Leitung von Nobelpreisträger Feodor Lynen. Erst im März 1973 waren die Bauarbeiten dann vollständig abgeschlossen.

„FORSCHT MAL SCHÖN!“

„FORSCHT MAL SCHÖN!“

Die offizielle Eröffnungsfeier des Instituts fand am 23. März 1973 im Beisein zahlreicher Prominenz statt. MPG-Präsident Reimar Lüst und Ehrenpräsident Adolf Butenandt waren ebenso anwesend wie andere hochrangige Vertreter aus Wissenschaft und Politik.

Richard Naumann, Bürgermeister der Gemeinde Planegg, appellierte in einer humorigen Ansprache an die Wissenschaftler*innen: „Forscht mal schön!“. Der ehemalige Direktor des alten MPI für Biochemie Adolf Butenandt lobte, in Martinsried sei ein „kleines Dahlem“ entstanden – in Anspielung auf Berlin-Dahlem, wo nach der Jahrhundertwende die ersten Institute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), der Vorläuferin der MPG, gebaut worden waren.

Doch prallten bei der Feier auch verschiedene Mentalitäten aufeinander. Als der 70-jährige Butenandt von den jüngeren Wissenschaftlern forderte, sie sollten „der Wissenschaft dienen“, erntete er Pfiffe. Im Geist der 68er-Bewegung war ein demokratisches, antihierarchisches Verständnis von Wissenschaft auf dem Vormarsch.

DER ALLTAG BEGINNT

DER ALLTAG BEGINNT

Mit der Eröffnung nahm das größte Zentrum biochemischer Forschung in Europa seinen Betrieb auf. Schon 1973 beschäftigte es annähernd 400 Mitarbeiter*innen. Elf Direktoren standen den Abteilungen vor. Dazu kamen zwei selbstständige Forschungsgruppen, deren Zahl bald stieg.

In der Praxis musste sich nun zeigen, ob die Fusion die gewünschten Effekte erzielte. „Es gab am Anfang durchaus Probleme“, erzählte ein damaliger Doktorand am Institut. Zwar standen die Direktoren schon seit Jahren in engerem Kontakt, „aber die meisten anderen Mitarbeiter kannten sich nicht. Man hat gefremdelt.“

Dennoch waren die Synergien spürbar. Die zentralen Einrichtungen bewährten sich, und das Institut wuchs mehr und mehr zusammen. Ein anderer damaliger Mitarbeiter schrieb wenige Jahre nach der Eröffnung: „Die Atmosphäre in dem neuen Martinsrieder Institut war ausgezeichnet, hilfsbereite und freundliche Mitarbeiter in allen Abteilungen, eine musterhaft unbürokratische Verwaltung.“