10 KULTURELLER WANDEL

FORSCHUNG AN TIEREN

FORSCHUNG AN TIEREN

Die Mehrheit unserer heutigen Forschungsgruppen kommt ohne Tierversuche aus. Ihre Forschungsfragen können auf der Ebene von Bakterien und Zellkulturen oder mittels Simulation am Computer beantwortet werden. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) fördert die Entwicklung solcher alternativer Methoden. In manchen Bereichen der biologischen Grundlagenforschung sind Versuche am lebenden Organismus jedoch noch unersetzbar.

Tierversuche sind wissenschaftliche Experimente an oder mit lebenden Tieren. Die Sensibilität für dieses Thema ist erheblich gewachsen – auch an unserem Institut. Heute arbeiten wir vorwiegend mit Mäusen, nach Bedarf aber auch mit Ratten, Kaninchen und Hühnern. Die Tiere werden möglichst artgerecht entsprechend ihren Bedürfnissen, mit ausreichenden Bewegungs- und Rückzugsmöglichkeiten, gehalten.
Über das Tierwohl wachen ausgebildete Tierpfleger*innen und drei Tierärztinnen. Die Versuche werden gemäß den strengen Vorgaben des Tierschutzgesetzes und der Tierschutz-Versuchstierverordnung detailliert geplant, von der Tierschutzbehörde Oberbayern genehmigt und unabhängig kontrolliert. Alle Beteiligten müssen gesetzlich vorgeschriebene Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen.

ETHIK IN DER FORSCHUNG

ETHIK IN DER FORSCHUNG

Wo in lebende Systeme eingegriffen wird, sind oft auch moralische und ethische Aspekte zu bedenken. Die Freiheit der Wissenschaft hat Verfassungsrang. Artikel 5 des Grundgesetzes schützt also auch die Bereitschaft von Wissenschaftler*innen, für ihre Forschung Risiken einzugehen. Zugleich sind sie verpflichtet, die Verantwor- tung für ihre Forschung und deren absehbaren Folgen zu übernehmen. Dazu gehören auch Möglichkeiten des Missbrauchs von Forschungsergebnissen.
Da viele dieser Risiken im wissenschaftlichen Neuland entstehen, können sich Wissenschaftler*innen nicht immer mit der Einhaltung gesetzlicher Regelungen begnügen – einfach schon deshalb, weil manches darin noch gar nicht gesetzlich geregelt sein kann. Sie müssen sich also an einem moralischen Kompass orientieren, wobei sie ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre besonderen Fähigkeiten nutzen, um Risiken für Mensch und Umwelt zu erkennen und abzuschätzen.
Mitarbeitende der MPG sind zur „Guten wissenschaftlichen Praxis“ verpflichtet und wenden sich bei Fragen zu rechtlichen Grenzen der Forschung an die Compliance-Stelle und die Rechtsabteilung. Bei Fragen zu ethischen Grenzen wenden sie sich an die Kommission für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung der MPG. Auch Ombudspersonen unterstützen bei Fragen zu Forschungsrisiken und Forschungsethik.

ZWECKFREIE GRUNDLAGENFORSCHUNG?

ZWECKFREIE GRUNDLAGENFORSCHUNG?

„Das Erkennen muss dem Anwenden vorausgehen“, forderte schon Max Planck. Die Satzung der MPG schreibt fest, dass Forschung „frei und unabhängig“ sein muss – weder von politischen Vorgaben bestimmt, noch von externen Finanzierungen abhängig oder an konkrete Zwecke gebunden. Grundlagenforschung soll in erster Linie von der Neugier getrieben sein, den Dingen auf den Grund zu gehen.

„Trotzdem verlieren wir das Potenzial der Anwendung nicht aus den Augen“, sagt Matthias Mann. Sein Team hat in den letzten Jahrzenten die Analyse der Gesamtheit aller Proteine mithilfe der Massenspektrometrie etabliert. Heutzutage reicht schon ein Bluttropfen, um Rückschlüsse auf Krankheiten zu ziehen. Mittlerweile ist dieses Wissen für die medizinische Anwendung, sprich Diagnostik, von höchstem Interesse. „Wissenschaftliche Erkenntnisse für praktische Zwecke zu nutzen, widerspricht nicht der freien Forschung, sondern öffnet oft neue Türen für die spätere Anwendung“, sagt Matthias Mann.

DIVERSER UND INTERNATIONALER

DIVERSER UND INTERNATIONALER

Alle Gründungsdirektoren unseres Instituts waren Männer, die ihre Karrieren vorwiegend in Deutschland absolviert hatten. 50 Jahre später hat sich das Bild grundlegend gewandelt: „Die Wissenschaft ist diverser und internationaler geworden“, bringt es Direktor John Briggs auf den Punkt.

Dieser Wandel brauchte Zeit: Mehr als 30 Jahre nach der Institutsgründung wurde mit der italienischen Wissenschaftlerin Elena Conti 2006 die erste Frau als Direktorin berufen. Nach dem Schweden Pehr Edman (von 1974 bis 1977 Direktor am MPI für Biochemie) war sie außerdem erst die zweite Person an der Spitze des Instituts, die nicht aus dem deutschsprachigen Raum stammte.

Heute sind vier unserer neun Direktor*innen Frauen. Und sämtliche Direktor*innen kommen entweder selbst aus dem Ausland oder haben mehrjährige Erfahrungen an führenden ausländischen Forschungsinstitutionen gesammelt. Unter allen Mitarbeiter*innen des Instituts sind 2023 mehr als 43 Nationalitäten vertreten.